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Sprache & Literatur

Seiner Zeit voraus

Zu Gast bei Osman Engin

Niemand nimmt die kulturellen Probleme im deutsch-türkischen Alltag so gekonnt auf’s Korn wie Osman Engin. Der in der Nähe von Izmir geborene Schriftsteller kam 1973 im Alter von zwölf Jahren nach Deutschland und begann nur weitere zehn Jahre später Kurzgeschichten für ein Bremer Stadtmagazin zu schreiben. Damit war er seiner Zeit voraus, denn in den 80ern war Integration in Deutschland noch ein Fremdwort. Über Rechtsradikalismus machte man sich nur wenig Gedanken: Türken waren ja eh nur Gastarbeiter. Deutsch-türkische Künstler gab es schon gar nicht.

Engin hingegen karikatierte gesellschaftliche Themen, die heute hitzige Debatten auslösen, bereits 1985 in seiner ersten Satiresammlung „Deutschling“. Später folgten Werke wie „Kanaken-Gandhi“ und „Getürkte Weihnacht“. Tageszeitungen wie die Frankfurter Rundschau und die taz drucken seine Geschichten auch deshalb ab, weil Engin sich nie auf eine Seite stellt. Egal ob heißblütige Anatolier oder ordnungsfanatische Deutsche, bei ihm bekommt jeder sein Fett weg.

Und damit noch nicht genug: Auch im Radio treibt der Wahl-Bremer und Diplom-Sozialpädagoge sein Unwesen: Bei Funkhaus Europa bringt er die Hörerschaft mit der Glosse „Alltag im Osmanischen Reich“ zum Lachen. Dafür bekam er 2006 sogar den ARD-Medienpreis verliehen.

Herr Engin, wie gefährlich lebt es sich in Zeiten flächendeckender Hysterie als Satiriker? Trauen Sie sich noch vor die Tür?

In Bremen ist es noch vergleichsweise ruhig. Obwohl sich einige Szenen aus meinem aktuellen Roman „Deutschland allein zu Haus“ tatsächlich so abgespielt haben, wie ich sie geschrieben habe. Zum Beispiel die Szene nachts, mit dem Skinhead bei McDonalds. Eine Mitarbeiterin hat sie mir erzählt, damit ich darüber schreibe. Da kam nachts ein kahlgeschorener, total typischer Skinhead rein und brüllte rum, „Der Neger soll mich bedienen! Der Neger soll kochen! Der Neger soll es mir bringen!“ und meinte damit den Mitarbeiter aus Afrika. Die Geschichte nahm aber zum Schluss eine ganz unerwartete Wendung an. Mehr verrate ich nicht, steht alles in meinem Roman.

Was soll Satire ihrer Meinung nach bewirken und wo hat sie ihre Grenzen?

Satire soll auf wunde Punkte in der Gesellschaft zeigen. Meine Aufgabe ist es durchs Lachen die Aufmerksamkeit auf kritische Themen zu lenken. Damit erreiche ich, dass meine Leser und Hörer sich mit Dingen auseinandersetzen, die Ihnen vorher nicht bewusst gewesen sind. Auf einer ernsthaften Sachebene sollen andere diskutieren. Ich gehe lieber über Humor an die Sache ran.

In Ihren Büchern geht es vor allem um den konfliktreichen Alltag türkischer Familien in Deutschland. Sind sich diese Länder und Kulturen wirklich so fremd?

Selbstverständlich gibt es auch viele Gemeinsamkeiten. Aber es gibt auch viele Unterschiede, über die man herzhaft lachen kann. Genau darum geht es unter anderem auch in meinen Geschichten. Ich beschreibe, mit welchen Schwierigkeiten man hier als türkische Familie zu kämpfen hat, aber auch darüber, wie sich Deutsche über die Eigenheiten der Türken wundern. Dabei ergeben sich immer wieder komische Situationen.

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Sowohl in der Türkei als auch in Deutschland ist ein gesellschaftliches und politisches Auseinanderdriften zu beobachten. Über welches Land machen Sie sich mehr Sorgen?

Über die Türkei mache ich mir im Moment natürlich viel mehr Sorgen. Insbesondere in der letzten Zeit. In Deutschland haben wir eine tolle, gefestigte Demokratie, die wir aber auch tagtäglich verteidigen müssen.

Auch zwischen den Ländern ist die Beziehung angespannt …

Schade, dass einige Politiker die Situation für ihre persönlichen Ziele ausnutzen wollen und die Menschen gegeneinander aufhetzen. Sowohl auf der türkischen, als auch der deutschen Seite.

Sie sind 1973 nach Deutschland gekommen. Was war ihr erster Eindruck von Deutschland?

Ich war verwundert, wie grün und ordentlich hier alles ist. Wenn man aus der Türkei kommt, fällt das einem sofort auf. Insbesondere wenn man im Sommer hierher kommt. In der Türkei macht die Hitze den Pflanzen sehr zu schaffen. Ich trockne dort sogar manchmal selbst aus, wenn ich vergesse, reichlich zu trinken.

Schon damals haben Sie Geschichten und Gedichte verfasst. Wann fingen Sie an, ihre Texte auf Deutsch zu schreiben?

So genau weiß ich das nicht mehr. Aber als ich 22 war, wurden meine ersten Kurzgeschichten auf Deutsch veröffentlicht. Damals war ich noch mitten im Studium. Nach kurzer Zeit habe ich gemerkt, dass die Übersetzerei für die Satire nicht sehr förderlich ist. Gedichte und Satire kann man schlecht übersetzen. Es geht viel dabei verloren. So habe ich angefangen, gleich auf Deutsch zu schreiben.

Kann man ihre Werke auch in der Türkei kaufen?

Drei meiner Bücher wurden ins Türkische übersetzt. Allerdings wurden zwei davon so schlecht übersetzt, dass ich dagegen war, dass sie veröffentlicht werden. Wie gesagt, Satire zu übersetzen ist eine Kunst für sich. Man muss beide Länder sehr gut kennen. Die Lebensweise, die Sprichwörter, die Umgangsformen. Das Kurzgeschichtenbuch „Dütschlünd, Dütschlünd übür Üllüs“ wurde von zwei Übersetzern, die in Deutschland leben als „El aman, el aman, en yaman Alaman“ übersetzt, das war ok.

Ihre Texte werden inzwischen in ganz Europa in Schulbüchern abgedruckt, damit Kinder etwas über die Probleme von Migranten lernen.

Ja! Es ist mir wichtig, dass Schüler in jungen Jahren für diese Themen sensibilisiert werden. Und durch Witz und Ironie kann man bei ihnen Interesse wecken. Außerdem bin ich an zehn Schulen Pate bei „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Das ist ein Netzwerk von Schulen, welches sich gegen Diskriminierung einsetzt und somit ein friedliches Miteinander unter Kindern und Jugendlichen fördert. Erst gestern war ich in einer Schule in Emden, die diesen Titel bekommen hat. Ich lese außerdem sehr oft in Schulen und freue mich immer drauf, mich mit den Schülern auszutauschen.

Zum Abschluss muss ich Ihnen diese Frage stellen, da Sie es am besten wissen müssten: Werden sich Deutsche und Türken irgendwann wieder vertragen?

Auf persönlicher Ebene vertragen sie sich schon seit 50 Jahren.

Fotos: PR Osman Engin

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