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Kunst & Design

Zu Gast bei Kreativdirektor Gün Aydemir

Wir treffen Gün in einer verrauchten Bar am Kotti. In bordeauxroten Sesseln kommen wir ins Plaudern: über ungewöhnliche Hobbys, das Geheimnis eines guten Spots und virale Hits im Internet.

Gün, dein Beruf als Kreativdirektor für die Heimat Werbeagentur ist eher von der speziellen Sorte. Wie beschreibst du deinen drei Söhnen, was Papa beruflich macht?

Ich gestalte Kampagnen im Bereich Werbung und helfe Kunden, ihre Marke oder ihr Produkt für den modernen Markt relevant zu machen. Dabei ist unser Ziel, Wege der Vermarktung zu finden, die es noch nicht gab. In der Agentur stellen wir uns alle möglichen Fragen zu der Kernaussage oder Besonderheit. Aus diesen Ideen entwickeln wir letztlich den Spot. Wir machen sogenannte integrierte Kampagnen im digitalen Raum, dort, wo die Menschen heute eben sind. Niemand guckt mehr Fernsehen.

Du hast schon ein paar große Fische an Land gezogen. Schwebt dir noch ein Projekt vor, auf dessen Umsetzung du brennst? Wie wär‘s denn mit einem renk. Imagefilm?

Ich möchte meinen Job bestmöglich machen, das ist mein Antrieb. Der große Name ist dabei irrelevant. Für mich wird es interessant, wenn der Auftraggeber ähnlich verrückt drauf ist. Die besten Aufträge kommen von wagemutigen Kunden. Dann kannst du gängige Konventionen aufbrechen, weil du freie Hand hast und mit den Möglichkeiten rumexperimentieren darfst – bis in leichten Größenwahnsinn hinein. Bei dieser Art von Kooperation macht die Entwicklung des Konzepts einfach Spaß.

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Ein Experiment von dir ist bekannt: Mit dem Regisseur Tobias Haase hast du 2013 den Film „MCP“ gedreht. In dem nicht autorisierten Spot überfährt das intelligente Bremssystem eines Mercedes den jungen Adolf Hitler. Der Spot beruht auf deinem Drehbuch. Wie kam es dazu?

Da war ich noch ein Jungspund und habe das Skript eher lapidar geschrieben. Soll heißen: Die besten Kampagnen entstehen nicht selten aus einem Gag in der Raucherrunde heraus. Und genauso war es hier. Der Werbeslogan: „Erkennt Gefahren bevor sie entstehen.“ brachte uns denkbar schnell auf Adolf Hitler, mit die größte Gefahr in unserer Geschichte. Entwürfe wie diese verschwinden leider viel zu oft, ohne je realisiert zu werden. Dann habe ich Tobias getroffen, der zufällig dringend ein Drehbuch suchte und so kam es zur Umsetzung. Dieses epische Bild, auf dem der überfahrene Adolf wie ein Hakenkreuz daliegt, kommt von ihm. Persönlich halte ich das noch immer für eine DER genialsten Szenen überhaupt. Wie das Ergebnis dann viral geworden ist, dürfte bekannt sein.

MCP from dath – Tobias Haase on Vimeo.

Kannst du die kontroversen Reaktionen verstehen?

Diese hochtrabenden Diskussionen in den gängigen Kulturmagazinen haben mich heftig an die Gedichtinterpretationen meiner Schulzeit erinnert. Schüler und Lehrer meinen, die Intention der Dichter erkannt zu haben. Aber ich bin mir sicher, selbst die großen Denker haben sich nicht allzu viel darum geschert, welchen Nerv der Zeit sie mit ihren Zeilen treffen würden. Es ist schierer Nonsens, wie viel die Menschen in die Werke anderer hinein interpretieren.

Was hat sich in deiner Branche verändert?

Man macht nicht mehr nur den Spot und das war’s. Das Projekt zum richtigen Zeitpunkt in den richtigen Medien für die größtmögliche Reichweite teilen, diese Fähigkeit wird wichtiger. Bei uns im Team kümmert sich eine Informationsarchitektin darum, wann die Aufnahmen wie gepostet und getwittert werden, sprich: optimal in sozialen Medien in Szene gesetzt werden. Sie ist auf digitale Strukturen spezialisiert. Müsste ich das machen, würde ich durchdrehen.

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Du hast laut deiner Vita einige Ex-Berufe. Zieht es dich mal wieder als Slam-Poet auf eine Bühne oder als Moderator in eine Radioshow?

Nee, zwischen 15 und 25 kann man sich da problemlos austoben. Mit Quatsch die Leute zu unterhalten und das Texten liegen mir schon. Seit ich Vater bin, habe ich aber kein Interesse mehr die Kunst um der Kunst willen zu machen, natürlich betreibe ich das um Dollars zu verdienen. Damit ist der Job perfekt für mich ausgelegt.

Dein Hobby ist „jagen, wortwörtlich“. Davon hört man auch nicht alle Tage.

Groß geworden bin ich im Schwarzwald, inmitten von Jägern und Wildschweinen. Ich bin nicht der große Tierrechtler, aber  Massenproduktion find‘ ich schon uncool. Da ich trotzdem Fleisch esse, schieße ich mir das Wild halt selber. Wir zehren da durchaus ein halbes Jahr von – irgendwie frühzeitlich, aber immerhin dem Tier gegenüber respektvoll.

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Gün, was rätst du jungen Kreativen, die in dieselbe Richtung gehen wollen?

Für diesen Beruf gibt es keinen klassischen Ausbildungsweg. Überhaupt wissen nur wenige davon. Ich glaube, jeder mit einem Talent für schlagfertige Sprüche kann Texter werden, wichtig ist vor allem ein gewisses Verständnis für den Job. Zwar gibt es eine renommierte und teure Schule dafür, aber ich halte ein Praktikum direkt in einer Werbeagentur für wertvoller. In der Praxis lernst du besser, schneller und ziehst es durch, auch wenn du vielleicht nebenbei kellnern musst. Praktika an sich sind ja bekanntermaßen undankbar, nur woher nimmst du sonst die Erfahrung, wenn du keinen Mentor zur Seite hast, der dich ein halbes Jahr lang an die Hand nimmt und dir die Abläufe erklärt? Ab ins kalte Wasser!

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Credits
Text: Genna-Luisa Thiele
Fotos: Ferhat Topal

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