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Gesellschaft & Geschichten

Hassan und der polnische Döner

In den späten 1990er Jahren ließ sich in Polen ein Trend beobachten: Überall eröffneten Döner-Büdchen. Das ist doch nichts Besonderes, werden einige sagen. Schließlich gibt es nicht nur in Deutschland Döner, sondern auch in Frankreich oder Italien. Dass der Döner in Polen erst in den 1990er Jahren seinen Siegeszug antrat, ist mit Blick auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation nach dem Ende des Staatssozialismus auch nicht weiter verwunderlich. Das ist alles richtig. Jedoch: Der polnische Döner verfügt über Merkmale, die ihn klar von seinen Brüdern und Schwestern westlich der Oder abgrenzen.

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Döner à la Pologne
Döner ist in Polen noch vor Pizza das beliebteste Fast Food. Zwar gibt es auch in anderen Ländern Ostmitteleuropas Döner, z.B. in Tschechien oder Ungarn, aber er ist nirgends so allgegenwärtig wie in Polen. Ob Stadt oder Land, Ost oder West: allerorten Kebab King, Kebab Ali Baba, Kebab Diana. Warum ist Döner ausgerechnet in Polen so beliebt? Vielleicht liegt es daran, dass der polnische Döner exakt auf die Bedürfnisse der polnischen Kundschaft zugeschnitten ist. An dieser Stelle wird es für den deutsch-türkischen Gaumen befremdend. Die traditionelle polnische Küche ist sehr schwer und gewürzarm, viele Gerichte triefen vor Fett – Butter statt Kräuter. Der polnische Döner ist gewissermaßen ein Spiegel der Landesküche. Über wabernde Mayonnaiseblöcke und eingekochtes Sauerkraut im Brot darf man sich nicht wundern. Dazu gibt es Hähnchen, Pute, Lamm, Kalb, in Warschau wollen einige sogar schon Schweinefleisch in ihrem Döner gehabt haben. Halal? Fehlanzeige.

Eine Dönerschule?
Kurzum: Es ist schwer, in Polen einen guten Döner zu bekommen. Nun erzählt man sich, dass es irgendwo in Warschau ein Restaurant geben solle, da schmecke der Döner so wie in Berlin. Das Gerücht besagt, dass der Chefkoch sich auf einer Dönerschule in der deutschen Hauptstadt habe ausbilden lassen. Dönerschule? Das klingt merkwürdig. Auf Nachfrage in einigen Warschauer Cafés und Bars erfährt man, dass der Mann doch nicht auf einer Dönerschule gewesen sei. Besser noch, er sei ein leibhaftiger Deutsch-Türke! Aha. Das ist insoweit bemerkenswert, als dass in Polen meistens Polen Döner verkaufen. Es gibt keine türkische Gemeinde. Also gut, aber wo genau findet man denn jetzt den einzigen Döner Warschaus, der mehr ist, als heiß und fettig?

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Ein Deutsch-Türke in Warschau?
Die meisten Freunde und Bekannte wissen bloß, dass es im Stadtzentrum ein Restaurant gibt, in dem ein Türke aus Berlin Döner verkauft, der anders schmeckt, als das Gewohnte. Man war noch nie da, aber man hat davon gehört – vom Turek z Berlina. Dann, auf einmal, will einer da gewesen sein. Er kann sich noch an die Adresse erinnern. Nicht nur der Döner sei der beste Warschaus, auch die Falafel, sagt er. Es soll in Warschau also einen Deutsch-Türken geben, der allein auf weiter Flur gegen den polnischen Döner-Trend schwimmt. Auf geht’s!
Das ASADO befindet sich im Zentrum Warschaus nur einige Fussminuten von der U-Bahn-Station Świętokrzyska entfernt. Es ist ein grauer, verregneter Samstagnachmittag. Trotzdem sind viele Menschen auf den Straßen, zwischen Warschaus Bankentürmen herrscht geschäftiges Treiben. Unterhalb des Kulturpalasts, des Wahrzeichens Warschaus, zählt man fünf Döner-Büdchen, Bretterverschläge, in denen die Spieße triefen. Nichts Neues.

Die Kredytowa ist eine unbelebte Seitenstraße, man kann sich denken, dass das ASADO nicht gerade von Laufkundschaft lebt. Das Restaurant ist im Erdgeschoss eines Stadthauses. Es fällt kaum auf. Höchstens der arabische Schriftzug weckt Interesse.

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Auf ein Gespräch mit dem Chef
„Du suchst einen Deutsch-Türken?“, fragt die Dame hinter der Theke. „Nein, Türken gibt es hier keine, aber einen Deutschen, den kannst du haben.“ Wenig später kommt aus der hintersten Ecke des Restaurants ein Herr mittleren Alters nach vorne und fängt sofort an, deutsch zu reden. „Ich heiße Hassan.“ Das Geheimnis ist gelüftet. Hier war niemand auf irgendeiner Dönerschule, einen Deutsch-Türken gibt es auch nicht. Hassan ist ein Deutsch-Libanese und kommt aus Berlin. „Du willst etwas erfahren über Döner in Polen? Warum es mich ausgerechnet nach Warschau verschlagen hat? Na gut, am besten wir setzen uns dorthin, dann sind wir ungestört.“ Hassan deutet auf einen Tisch neben der Theke. Es gibt schwarzen Tee und Zigaretten. „Das Schwierige an polnischen Kunden ist, dass sie genau wissen, was sie wollen.“ Hassan hat eine offene, herzliche Art, sein Restaurant ist gemütlich, wenn auch etwas kitschig eingerichtet. Man fühlt sich sofort wohl. „Deswegen tun die meisten ja auch alles Mögliche ins Brot. Ich hatte schon Leute hier, die wollten ein ganzes Stück Fleisch in ihr Brot haben, gar kein Gemüse, keinen Salat. So etwas kriegst du bei mir nicht.“ Hassan lässt sich auf nichts ein, er ist stolz darauf, dass seine Gerichte so schmecken wie in Deutschland, auch wenn er seiner Kundschaft damit manchmal auf den Schlips tritt. „In Polen heißt alles, was im Brot ist, also in einem Pide, Kebab. Andere Gerichte lassen sich kaum verkaufen. In Deutschland gibt es viele Türken und Araber, das ist eine ganz andere Nachfrage.“ Ein Angestellter von Hassan bereitet zwei Teller vor, es soll eine Verkostung geben. Es duftet schon rüber. Hassan erzählt, dass er alle Libanesen in Polen kenne, die könne man fast an einer Hand abzählen. In einer Häuserzeile in Neukölln würden mehr leben. Neukölln, Kreuzberg, ganz Berlin ist für Hassan zu einer Art Sehnsuchtsort geworden. Zehnmal im Jahr ist er dort und jedes Mal bringt er etwas für sein Restaurant mit, ob nun Gewürze oder Einrichtungsgegenstände. Selbst die Zimmerpalme hinter dem Tisch kommt aus Berlin. „Ich bin 1999 wegen der Liebe nach Warschau gezogen, wie das so ist.“ Die Dame hinter der Theke ist Hassans Frau, Agnieszka. Sie lächelt ihn an. „Damals herrschte hier Aufbruchstimmung. Es war eine tolle, aufregende Zeit. Wir haben sofort unseren Laden eröffnet.“

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Jetzt wird aufgetischt. Es gibt Döner, Falafel, Salat, Reis. Der Döner ist tatsächlich gut, so wie in Berlin. Hassan hat nicht zu viel versprochen. Die Falafel sind frisch, Agnieszka macht sie selbst. Hassan sagt, es sei nicht immer voll, aber er könne sich nicht beklagen. Seine Kunden seien glücklich und kämen immer wieder. Zu seinen Stammkunden würden sogar mehrere arabische Botschafter gehören. Das glaubt man gerne. Hassan lehnt sich zurück und steckt sich zufrieden noch eine Zigarette an.

Nein, der polnische Döner ist nicht so schlecht wie sein Ruf. Er ist nur kein Döner wie man ihn erwarten würde. Das britische Curry setzt sich auch ab vom indischen Original, mittlerweile ist es sogar ein britisches Gericht – eben britisches Curry. Vielleicht wird man in Zukunft ganz selbstverständlich von polnischem Döner sprechen. Bis dahin aber ist es gut, dass es in Warschau bei Hassan auch das Original gibt:

Restauracja ASADO
ul. Kredytowa 4
00-062 Warszawa 

Credits
Text: Philipp Fritz
Fotos: Dénes Jäger

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