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Kunst & Design

Kreuzberg Schwarz-Weiß: Die bunten 70er

Kreuzberg in den 70ern – der Bezirk wird an drei Seiten durch die Berliner Mauer begrenzt und zieht mit günstigen Mieten ein buntes Völkchen an. Geheizt wird mit Kohleöfen, die Toiletten sind noch auf halber Treppe. Zwischen Kriegsruinen schwebt die Unbefangenheit des Jahrzehnts der Friedensbewegungen, Hippies und Hausbesetzungen. Berlin ist im Aufbruch.

Die 70er waren eine Zeit der Krisen, Umbrüche und Veränderungen. Willy Brandt fiel in Warschau auf die Knie. Nixon wurde mit dem zweitbesten Ergebnis Präsident der USA. Als der Vietnamkrieg endete, begann im Libanon ein Bürgerkrieg. Deutschland spürte das Ende des langen Nachkriegbooms, das Wirtschaftswunder flachte ab. Wegen der RAF standen in deutschen Städten an jeder Ecke Polizisten. Auch Berlin-Kreuzberg galt als terroristenfreundlich und versprühte einen rauen Charme. Im Rest von West-Berlin hatte Kreuzberg einen schlechten Ruf, nicht nur wegen der alternativen Szene, die die zahllosen Kneipen bevölkerten.

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Abriss und mehr Farbe

Im ummauerten West-Berlin war der Wohnraum knapp. Darum plante die Stadt die Kahlschlagsanierung des Bezirks: heruntergekommene Altbauten sollten nicht modernisiert, sondern einfach abgerissen werden. An ihre Stelle traten weniger charmante riesige Wohnblöcke in das von der Mauer geprägte Stadtbild, zum Beispiel das Neue Kreuzberger Zentrum am Kottbusser Tor.

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Die abbruchreifen, unsanierten Altbauwohnungen wurden in dieser Umbruchphase bis zu ihrem Abriss an alle vermietet, die es günstig wollten. Künstler, Studenten, Migrantenfamilien ließen bald die alten Dielen Kreuzbergs unter ihren Füßen knarren. Die Straßen lebten von der Diversität ihrer Bewohner.

Mit der Wirtschaftskrise Anfang der 70er endete zunächst der Zustrom der Gastarbeiter. Die vielen bereits Eingewanderten holten ihre Familien nach. Viele junge Männer zog es aus ganz Deutschland nach West-Berlin, um der Wehrpflicht zu entgehen. Als besetztes Gebiet hatte West-Berlin einen „entmilitarisierten“ Status, das heißt, es gab keine Bundeswehr und keine Wehrpflicht.

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Kreuzberg war das Zentrum all jener, die von der Gesellschaft weniger akzeptiert wurden. Darunter viele Migranten, die zwar schon eine Weile in Deutschland waren, deren Zusammenleben mit der Gesellschaft aber eher noch ein Neben- als ein Miteinander war. Zudem sammelte sich die Linke Szene im Bezirk, die dem bürgerlichen West-Berlin eher suspekt war. Die Studentenbewegung des vorherigen Jahrzehnts zeigte ihre Auswirkungen in den Experimenten mit neuen Formen des Zusammenlebens: Wohngemeinschaften, Kollektive und Initiativen fanden in Kreuzberg ihren Platz. Kreuzberg war bunt.

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Umbruch in den Köpfen

Die radikalen Sanierungsmaßnamen gerieten 1974 erstmals ins Stocken. Durch den Bau des Neuen Kreuzberger Zentrums wurde die Dresdner Straße zur Sackgasse. Die ansässigen Gewerbetreibenden der einst belebten Straße verbusten massive Umsatzeinbrüche und riefen zum Protest auf.

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Zusammen mit den jungen Wilden im Viertel kritisierten sie Kapitalismus, parlamentarische Demokratie und bürgerliche Lebensformen. Studentenbewegungen, Proteste gegen den Vietnamkrieg prägten den starken Widerstandswillen. In Kreuzberg wuchs die Hausbesetzerszene. Die maroden Altbauten, denen der Abriss drohte, wurden besetzt und boten Raum für Projekte des alternativen Lebens und Arbeitens. »Ihr kriegt uns hier nicht raus! Das ist unser Haus« sang Rio Reiser für Ton Steine Scherben über das Rauch-Haus, das ehemalige Bethanien-Krankenhaus und eines der ersten besetzten Häuser am Mariannenplatz. Doch auch in der Besetzerszene gab es Spannungen. Einige wollten auf Mietverträge hinarbeiten, die anderen wollten nicht mit Senat oder Hausverwaltung verhandeln und sahen die Häuser als enteignet an. Mit einer Welle von Räumungen Anfang der 80er verschärfte sich die Lage drastisch.

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Kreuzberg in den 70ern – abebbendes Wirtschaftswachstum mündet in diesem Jahrzehnt in Friedensbewegungen, Anti-Atomkraft-Gruppen und Punkrock. Von Gentrifizierung war noch wenig zu sehen, dafür spürte man den Aufbruch, den Wunsch nach Freiheit und Kreativität. Junge Künstler lebten in besetzten Häusern, Gastarbeiterkinder auf den Straßen spielten. Die bunte soziale Mischung ist es, die Kreuzberg bis heute ausmacht. Die Fotoserie von Steffen Osterkamp zeigt in Schwarz und Weiß den bunt-rauen Charme des Bezirks in den Siebzigerjahren.

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Credits:
Text: Regina Wiebe
Fotos: Steffen Osterkamp

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