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Sprache & Literatur

Hate Poetry – Hass weglachen!

Journalisten wie Deniz Yücel, Mely Kiyak oder Yassin Musharbash schreiben für die renommiertesten Zeitungen und Zeitschriften Deutschlands. Trotzdem werden sie kontinuierlich mit rassistischen Kommentaren, Briefen oder Emails bombardiert. Bis vor kurzem waren sie damit auf sich allein gestellt. Dann hatte Kollegin Ebru Taşdemir, freie Journalistin und Autorin aus Berlin die Idee zurückzuschlagen – mit Hate Poetry. Was das ist, warum man Rassismus auslachen sollte und vieles mehr erfahrt ihr im Interview mit der Macherin von Hate Poerty.
Bei eurer Show Hate Poetry werden rassistische Leserbriefe vor einem breiten Publikum ins Lächerliche gezogen. Wie kommt man auf so eine Idee?

Auf die Idee sind wir vor drei Jahren gekommen, als eine Kollegin einen Leserbrief auf Facebook geteilt hat. Das ging ungefähr so: „Sehr geehrte Frau Arschloch! Sie können kein Deutsch, seien sie überhaupt froh, dass sie bei einer renommierten deutschen Zeitung schreiben dürfen!“ – das hat dann für viel Aufregung gesorgt. In den Kommentaren haben wir uns dann überlegt wie wir antworten würden – nach dem Motto: „Das heißt, wenn dann Frau Arschlöchin“. Das war so witzig, dass ich dann vorgeschlagen habe, das ganze irgendwie öffentlich zugänglich zu machen. Wir haben dann noch einige Kollegen gefragt. Die fanden das spitze und waren sofort dabei. Unsere erste Veranstaltung hatten wir dann im taz-Café und so ist dann Hate Poetry entstanden.


Also eigentlich völlig spontan?

Ja! Eine halbe Stunde vor unserer ersten Lesung wussten wir nicht ein mal, was wir da machen. Meine Kollegin Doris hatte dann die Idee das als satirische Show umzusetzen. Es gab beispielsweise schon ein Hass-Video gegen meinen Kollegen Yassin Musharbash, das haben wir dann vorgespielt, dann noch einige Leserbriefe vorgelesen und viel gelacht. Der Saal war prall gefüllt, die Leute standen im Flur ja fast schon draußen! So entwickelte sich auch die Idee Hate Poetry als Veranstaltungsreihe aufzuziehen. Bei den Folgeveranstaltungen haben wir uns dann sogar verkleidet.
Warum denn verkleidet?

Wir fanden das lustig. Yassin Musharbash hat zum Beispiel ein auf der Bühne einen islamischen Anzug an. Das hatte er getragen als er über den arabischen Frühling in Ägypten berichtete. Meine Kollegin Mely Kiyak trägt auch öfters mal einen kurdischen Şalvar zur Show und provoziert dann mit schwindelhohen High Heels. Das ist aber alles nicht genug. Meistens betreten die Journalisten die Bühne mit einem Halay, einem kurdischen Volkstanz. Dazu wird dann „10 Jahre hier“ von Malek Samo, der melancholisch mit deutsch-türkischem Akzent singt, abgespielt. Als Highlight schmücken die Journalisten dann noch den Tisch. Packen alles was sie dabei haben aus den Aldi-Tüten aus: Türkeiflagge, Atatürk-Poträt und Gebets-Uhr. Das passt alles auf den ersten Blick nicht zusammen, transportiert aber genau das Bild was wir vermitteln wollen.
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Was passiert dann?

Dann beginnt die Show. Nacheinander lesen die Journalisten vor. Am Ende gewinnt derjenige mit dem krassesten Leserbrief oder der krassesten Beleidigung und bekommt gewinnt ein Geschenk. Meistens ein Dönerkuscheltier oder so.
Was war die krasseste Beleidigung, die dir in Erinnerung geblieben ist?

Das war etwas sehr Grenzwertiges und war an meinen Kollegen Deniz Yücel gerichtet: „NSU, NSU, zehn arme Dönerverkäufer abknallen, aber den Deniz Yücel stehen lassen“. Das ist zwar hart aber damit gewinnt er jede Runde. Es gibt natürlich auch Grenzen: Morddrohungen werden nicht vorgelesen. Aber eigentlich bestimmen die Journalisten selbst, was sie vorlesen wollen und was nicht.
Heftig, musst du da nicht öfters schlucken?

Natürlich muss ich das. Bei einigen Sprüchen und Sätzen bekomme ich immer noch Gänsehaut. Es ist ein Wechselbad der Gefühle. Die meisten Redaktionen sind nicht wirklich hellhörig was diese Leserbriefe angeht. Deshalb ist es unglaublich befreiend für einen Journalisten das alles mal loswerden zu können und nicht alles mit sich selbst auszumachen. Neulich hat Yassin Musharbas dieses Gefühl ziemlich gut zusammengefasst: Hate Poetry ist wie ein Hamam-Gang, man geht da hin und schwitzt den Mist kollektiv aus.


Wie reagieren die Zuschauer auf die Show?

Sie lachen. Die meisten verstehen, dass wir hier mit Klischees spielen. Diese Verkleidung und das Vorlesen dieser Briefe und Konversationen sind nichts weiter als ein Aufzeigen dieser absurden Situation. Wir zeigen dem Publikum auf spielerische Art, was Manche über uns denken. Wir bedienen die Klischees, lesen die Briefe und Kommentare vor und decken dann die Denkfehler jener Leser auf! Die Situation wird ins Lächerliche gezogen und das fühlt sich für uns unheimlich befreiend an.


Gibt es Kritik?

Natürlich gibt es auch Kritik. Es muss ja auch nicht jeder drüber lachen können. Uns wird vorgeworfen das ganze als Werbung für uns selbst zu nutzen, dabei geht es um was ganz Anderes.
Wie erklärst du dir den Erfolg von Hatepoetry?

Hate Poetry ist einfach ein ganz neuer Umgang mit dem Thema Alltagsrassismus. Das man sich hinstellt, das vorliest und dann auch noch Applaus dafür kriegt, hätte man vor einigen Jahren nicht erwarten können. Mit Hate Poetry lässt sich etwas Schlimmes, etwas Böses und eigentlich sehr Verwerfliches in etwas Lustiges und Positives umwandeln. Wir zeigen Rassismus auf einer Ebene auf, die es vorher noch nicht gegeben hat. Das ist das Besondere daran.
Dass die Journalisten auf der Bühne charmant und eloquent sind und gerne aus ihrem Leben berichten, hat natürlich auch einen Einfluss darauf. Normalerweise kennt man sie ja nur aus einem ernsten Kontext. Hate Poetry bietet die Möglichkeit den Ernst des Journalismus abzulegen und auch mal auf den Tisch zu hauen.

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Wie geht es jetzt weiter?

Wir sind schon kreuz und quer durch die Republik getourt – Leipzig, Bremen, Bochum, Köln und Stuttgart. Kriegen aber immer noch eine Einladung nach der anderen und kommen kaum hinterher. Wir haben auch schon ein Angebot bekommen das ganze als Fernseh-Show rauszubringen. Aber muss man Hate Poetry in ein anderes Format bringen, nur weil es erfolgreich ist? Ich weiß es nicht. Das einzige was ich weiß ist – solange es Spaß macht wird es mit Hate Poetry weitergehen.
Dürfen wir also weiterlachen?

Ja, das dürfen alle die zur Show kommen. Am Ende jeder Show erteilt Yassin den Zuschauern die Absolution. Es ist also erlaubt, lachen Sie mit!
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Photos: Onu Miyaki

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