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Bühne & Schauspiel

Begreifen, dass die Welt konstruierbar ist

Zu Gast bei Hannah Biedermann

Früher war das großzügige Foyer des Kölner Comedia-Theaters eine Feuerwache mit Rutschstangen, Wasserschläuchen und Männern in Alarmbereitschaft. Heute wird hier getrunken, gegessen, geredet, meistens ohne Uniform. Wir treffen Hannah Biedermann zum Gespräch bei einem Kaffee. Hannah ist um die 30, blond, kurzhaarig, zurückhaltend und Autorin und Regisseurin für Kinder- und Jugendtheater. Ihre letzten Stücke zeigen Menschen, die zwar in Deutschland leben, aber ihre familiären Wurzeln in anderen Ländern haben, häufig in der Türkei. Warum macht sie das? Wir wollen mit ihr über ihr aktuelles Stück Methode Baklava und die Philosophie ihrer Arbeit sprechen.

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Wie ist die Idee zu Methode Baklava entstanden?

Wir wollten Theater für ein diverses Publikum machen, für Kinder unterschiedlicher Kultur und Herkunft. Ich habe mich selbst gefragt: »Wo sind die Geschichten, die die heterogene Stadtgesellschaft und natürlich insbesondere die Kinder betreffen?« Klassiker wie Emil und die Detektive sind ja auch ok, aber leider schon so oft aufgeführt und auch nicht nah genug an der Lebenswirklichkeit der Kinder.

Worum geht es in Methode Baklava?

Das Projekt beleuchtet die Beziehung zwischen Müttern mit Zuwanderungshintergrund und ihren in Deutschland geborenen und aufwachsenden Kindern.

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Wie hast du diese Beziehung für den Theaterbesucher sichtbar gemacht?

Familie und ein Verhältnis zu Kultur und Herkunft zeigt sich häufig am stärksten im Gestalten des Wohnraums und des dortigen Zusammenlebens. Daher ist unser Bühnenbild daran angelehnt: Drei Mütter schnibbeln dort Gemüse für das Familiengericht, das im Hintergrund auf dem Herd köchelt. Dazwischen und währenddessen erzählen sie von ihren Erinnerungen, legen ihre Meinungen dar, tauschen sich untereinander aus. Die Kinder sowie weitere Mütter kommen per Audio- und Videomaterial zu Wort. Auch die Theaterbesucher werden nach ihren Erfahrungen befragt.

Was ist deiner Meinung nach das Besondere an dieser Mutter-Kind-Beziehung?

Zum einen glaube ich, verstärkt es einen Aspekt der alle Beziehungen zwischen Kinder und ihren Eltern definiert. Nämlich, dass das Leben der Mutter elementar anders war als das des Kindes und das Kind sich das frühere Leben der Mutter nur schwer vorstellen kann. Zum anderen denke ich, dass manchmal das Kind die souveränere Position inne hat. Zur Erklärung möchte ich eine Szene beschreiben: Eine Lehrerin besucht die Mutter. Am Küchentisch sitzend erzählt sie ihr, dass die Tochter faul sei. Sie mache keine Hausaufgaben, das müsse sich ändern. Da die Mutter der deutschen Sprache nicht mächtig ist, muss die Tochter die kritischen Worte der Lehrerin übersetzen. Das macht sie natürlich zu ihren Gunsten: Sie tut so, als lobe die Lehrerin sie über den grünen Klee. Der Mutter bleibt nichts anderes übrig, als den Worten der Tochter zu glauben.

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Du hast in Methode Baklava mit Schauspielerinnen gearbeitet, bei denen sich Bühnenfigur und Biographie überschneiden. Wie war das?

Mir ist es generell wichtig, dass sich strukturelle Veränderungen in der Gesellschaft auch im Theaterpersonal zeigen; ob SchauspielerInnen oder PerformerInnen mit Zuwanderungshintergrund oder auch in Regie oder Dramaturgie.
Zunächst war es schwierig, die Suche nach den Darstellerinnen angemessen zu artikulieren. Man sucht ja nach einer Person mit Migrationshintergrund. Dazu kommt, dass man diesen ja auch sehen soll, weil Theater ein visuelles Medium ist. Da findet man sich schnell in einer Ecke wieder, in der man eigentlich nicht sein möchte, als würde man die Stigmatisierung oder Fremdzuschreibung fortschreiben. Andererseits soll es ja um ihre Geschichten gehen, die sie auf Grund anderer Herkunft erlebt haben. Auch musste eine Darstellerin ihre Arbeit mit uns abbrechen, weil bei ihr Traumata aufgebrochen sind, was mir für sie natürlich sehr leid tat. Hervorzuheben ist aber, dass die Darstellerinnen ihre eigenen Erinnerungen mit in das Stück eingebracht haben. Einige Geschichten, die Dunja oder Taly auf der Bühne erzählen, haben sie wirklich erlebt.

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Was ist deiner Meinung nach gutes Theater?

Das was ein Anliegen hat und es auf hohem künstlerischen Niveau umsetzt. Ich selbst entwickele meine Stücke am liebsten selbst. Ich inszeniere sehr selten fertige Texte. Bei der Methode Baklava sind wir beispielsweise erst einmal in die Frauen- und Jugendzentren nach Porz und Dellbrück gegangen, haben mit den Frauen und Jugendlichen gesprochen und sie gefilmt. Aus den Aufnahmen sind dann mit der Zeit Texte entstanden, die wir immer wieder im Team diskutiert und überarbeitet haben. Dazu kommen eben die autobiografischen Texte der SpielerInnen. Das führt dazu, und das ist mir eben sehr wichtig, dass das Stück allen Beteiligten am Herzen liegt.

Gibt es einen Grundgedanken, eine Philosophie in deiner Arbeit?

Ja, zumindest kristallisiert es sich gerade heraus. Ich möchte mit meiner Arbeit immer wieder zeigen, dass es eine große Vielfalt an Lebensentwürfen gibt und dass alle gleichwertig sind und nebeneinander existieren können. Die Medien geben so viele Ideale vor, beispielsweise die ideale Familie, das ideale Jungsein, das ideale Sexualleben oder das ideale Berufsleben. Das aber sind alles Konstrukte, die vielleicht nicht der Realität entsprechen, die aber vor allem auch verändert werden können. Es geht darum, zu begreifen, wenn die Welt ein Konstrukt ist, könnten wir sie auch anders konstruieren. Ich bin mir natürlich auch bewusst, dass auch wir TheatermacherInnen einen subjektiven Blick auf die Lebensentwürfe haben und diesen auf die Bühne bringen. Diesen selektiven, formenden Prozess lege ich dann gerne so gut es geht auf der Bühne offen.

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Planst du, weitere Stücke zu diesem Thema zu machen?

Aktuell keine darauf fokussierte Stückentwicklung, aber ich werde es immer wieder in andere Stücke einweben. Zudem werde ich als nächstes in Ingolstadt das Stück Der Junge mit dem Koffer inszenieren. Ein Kinderstück über Flucht.

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